„Die Kri­se hat für uns bestimm­te The­men noch mal nach­drück­li­cher auf die Tages­ord­nung gesetzt.“

Wir haben mit Karo­li­ne Deiss­ner, Lei­te­rin der Fach­stel­le Unter­neh­mens­ko­ope­ra­ti­on im Amt für Sozia­le Arbeit der Lan­des­haupt­stadt Wies­ba­den, über Her­aus­for­de­run­gen, Maß­nah­men und Lösun­gen in Zei­ten der Coro­na-Pan­de­mie gespro­chen.

Was waren die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen für die Fach­stel­le Unter­neh­mens­ko­ope­ra­ti­on seit Beginn der Coro­na-Kri­se?

Die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen für unser klei­nes Team waren – und sind — Fle­xi­bi­li­tät, Krea­ti­vi­tät, Kom­mu­ni­ka­ti­on. Und vor allem zu Beginn des Lock­downs war es für alle schwie­rig, ange­sichts aus­fal­len­der Ver­an­stal­tun­gen und der all­seits herr­schen­den Unge­wiss­heit die Zuver­sicht zu bewah­ren …

Im März war ja die Ver­un­si­che­rung erst­mal rie­sen­groß. Nie­mand wuss­te, was auf uns zukommt. Bezo­gen auf unse­re Arbeit: Es stand in den Ster­nen, was in 2020 über­haupt an Koope­ra­ti­on mög­lich sein wür­de. Und zwar sowohl ange­sichts der gel­ten­den Kon­takt­be­schrän­kun­gen als auch der mas­si­ven Aus­wir­kun­gen des Lock­downs auf vie­le Unter­neh­men: Kann und möch­te sich über­haupt jemand enga­gie­ren, wenn die Rah­men­be­din­gun­gen so unwäg­bar sind und ganz ande­re Her­aus­for­de­run­gen im Fokus ste­hen …?

Kom­mu­ni­ka­ti­on ist bei unse­rer Arbeit ja immer ein zen­tra­les The­ma. Aber in der aktu­el­len Situa­ti­on poten­zier­te sich der Bedarf an Kom­mu­ni­ka­ti­on in alle Rich­tun­gen, weil geplan­te Abläu­fe und Ter­min­plä­ne ja schlicht­weg Maku­la­tur waren und die Lage sich auch noch lau­fend änder­te.

Es muss­te zunächst ganz rasch und krea­tiv über­legt wer­den, wel­che digi­ta­len Wege der Zusam­men­ar­beit es gibt – und zwar sowohl intern im Team und mit unse­ren Koope­ra­ti­ons­part­nern als auch im Rah­men der ver­schie­de­nen Pro­jekt­for­ma­te, die wir unter dem Dach „Wies­ba­den Enga­giert!“ für ver­schie­de­ne Ziel­grup­pen anbie­ten.

Gleich­zei­tig gab es aber auch kurz­fris­tig ganz viel Hilfs­be­reit­schaft: Wir erhiel­ten spon­ta­ne Anfra­gen aus Unter­neh­men, wo in Wies­ba­den „coro­nabe­dingt“ Hil­fe benö­tigt wür­de. Hier bestand die Her­aus­for­de­rung dar­in, über das Netz­werk aktu­el­le Bedar­fe und Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te ein­zu­sam­meln und nach Mög­lich­keit zu ver­mit­teln.

Wie sind Sie damit umge­gan­gen? Wel­che kon­kre­ten Maß­nah­men haben Sie ergrif­fen?

Die Pan­de­mie star­te­te in der ers­ten März­hälf­te so rich­tig durch — drei Wochen vor unse­rer geplan­ten Pro­jekt­bör­se. Über die gro­ßen Live-Bör­se ver­mit­teln wir sonst rund 50 % aller Koope­ra­tio­nen für die Akti­ons­wo­che „Wies­ba­den Enga­giert!“ im Juni. 2019 waren das z.B. 70 „Matches“ in 44 Pro­jek­ten …

Spä­tes­tens mit dem Lock­down Mit­te März war dann klar, dass die Pro­jekt­bör­se am 31. März aus­fal­len wür­de. Wir haben uns spon­tan per Video­kon­fe­renz mit unse­rem „TEAM Akti­ons­wo­che“ aus­ge­tauscht, also mit aus­ge­wähl­ten Leu­ten aus Unter­neh­men und Non-pro­fits. Alle waren sich einig, dass die Akti­ons­wo­che im Juni nicht abge­sagt wer­den soll­te. Ein fes­ter „Nach­hol-Ter­min“ im Herbst wur­de als zu ris­kant ange­se­hen. Statt­des­sen soll­te der Zeit­raum für die Umset­zung der Pro­jek­te fle­xi­bel gestal­tet wer­den und bis in den Herbst lau­fen …

Über unse­re „Online-Bör­se“, die wir bereits seit ein paar Jah­ren ergän­zend nut­zen, konn­ten wir die vie­len ange­mel­de­ten Pro­jekt­ide­en „digi­tal“ prä­sen­tie­ren. Doch wer soll­te sich für eine Koope­ra­ti­on „comit­ten“, wenn drum­her­um nichts sicher ist? Ohne gro­ße Erwar­tung star­te­ten wir am 1. April die Online-Bör­se. — Und waren total über­rascht, dass inner­halb einer Stun­de über 30 Pro­jek­te online gebucht waren! Die Lust, sich zu enga­gie­ren war offen­sicht­lich unge­bro­chen — und auch die Zuver­sicht, dass auch in 2020 „was geht“!

So ist natür­lich bei uns die Moti­va­ti­on ent­spre­chend hoch, die­sen Spi­rit mit unse­rem Ser­vice zu unter­stüt­zen. Alle Enga­gier­ten gut zu betreu­en und wei­ter­hin so fle­xi­bel wie mög­lich zu sein – bei Buchun­gen, Absa­gen, Plan­än­de­run­gen, Umbu­chun­gen. Und wir freu­en uns über jedes Pro­jekt, das Ende 2020 umge­setzt sein wird. Ach ja, natür­lich gibt es auch „Coro­na-Sicher­heits­hin­wei­se“ für die Pro­jek­te – sozu­sa­gen unser Hygi­e­nekon­zept.

Inspi­riert durch die Initia­ti­ve #wirb­lei­ben­en­ga­giert des UPJ-Netz­werks haben wir gleich­zei­tig begon­nen, unter dem Hash­tag #WIES­BA­DEN­bleib­t­ENGA­GIERT! auch Pro­jek­te und Koope­ra­tio­nen zu sam­meln, die ohne unser Zutun spon­tan ent­stan­den. Dank gro­ßer Hilfs­be­reit­schaft, Krea­ti­vi­tät und guter Ide­en ist da eini­ges pas­siert. Auf­fal­lend war, wie vor allem dort ganz rasch und unkom­pli­ziert Hil­fe orga­ni­siert wer­den konn­te, wo die Unter­neh­men schon län­ger eine Part­ner­schaft mit gemein­nüt­zi­gen Ein­rich­tun­gen pfle­gen.

Wel­che The­men wer­den auch über die Kri­se hin­aus rele­vant für Sie und die Fach­stel­le blei­ben?

Die Kri­se hat für uns bestimm­te The­men noch mal nach­drück­li­cher auf die Tages­ord­nung gesetzt. Das gilt gesamt­ge­sell­schaft­lich eben­so wie für unse­re kon­kre­te Arbeit als Mitt­ler zwi­schen Unter­neh­men und Gemein­nüt­zi­gen.

Die Anfor­de­rung, kon­kre­te Bedar­fe kurz­fris­tig mit den Enga­ge­ment-Ange­bo­ten von Unter­neh­men zu matchen, ist so ein Bei­spiel: Die­se Auf­ga­be stand bei uns unter dem Titel „Ganz­jäh­ri­ge Ver­mitt­lung“ bereits auf der Agen­da — als poten­zi­el­ler Ent­wick­lungs­schritt unse­rer „Wies­ba­den Engagiert!“-Strategie. Coro­na hat nun dafür gesorgt, dass wir da schon mal vor­ab „üben“ und kon­kre­te Erfah­run­gen machen.

Die größ­te Her­aus­for­de­rung unse­rer Arbeit sind das Pro­jekt­ma­nage­ment und die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit allen Akteu­ren. 2020 spitzt sich das noch wei­ter zu: Alles ver­läuft indi­vi­du­el­ler – nicht nur, was die Zeit­schie­ne angeht. Es gibt viel Bera­tungs­be­darf bei den Teil­neh­men­den, alles muss fle­xi­bler gehand­habt wer­den – auch von unse­rer Sei­te.

Dank bereits bestehen­der Tools wie z.B. der Online-Bör­se kön­nen wir vie­les auch digi­tal schon gut regeln. Aber die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen zei­gen: Im Bereich Digi­ta­li­sie­rung müs­sen wir drin­gend wei­te­re Schrit­te gehen, um zukunfts­fä­hig zu sein und mit unse­ren Ange­bo­ten noch fle­xi­bler reagie­ren zu kön­nen. Vie­le Men­schen haben im Lock­down die Poten­zia­le digi­ta­ler Kom­mu­ni­ka­ti­on ent­deckt und als etwas Posi­ti­ves erlebt. Das ist auch eine Chan­ce, die wir für neue For­ma­te nut­zen kön­nen.

Das geht hin bis zum The­ma „Digi­ta­les Enga­ge­ment“. Im Rah­men unse­res Pro­gramms „Wie­sPa­ten“ haben wir z.B. mit unse­ren Schü­ler­grup­pen „Online-Wie­sPa­ten“ ent­wi­ckelt – an den vir­tu­el­len Tref­fen haben auch Patin­nen und Paten aus Unter­neh­men teil­ge­nom­men. Bei unse­rem „CSR Regio.Net Wies­ba­den“ haben wir kurz­fris­tig Netz­werk-Work­shops durch Video­kon­fe­ren­zen ersetzt. Online-Ange­bo­te und digi­ta­les Enga­ge­ment kön­nen auch über die Kri­se hin­aus die bestehen­den Struk­tu­ren ergän­zen. Zum Bei­spiel im Bereich der Kom­pe­tenz­ver­mitt­lung über Webi­na­re.

Wir sind schon stolz auf die Wies­ba­de­ner Unter­neh­men und auf „unse­re“ gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen, dass in unse­rer Stadt – trotz und auch wegen Coro­na — so vie­les mög­lich ist. Wir sehen das als Ergeb­nis unse­rer inten­si­ven Arbeit im Bereich Unter­neh­mens­ko­ope­ra­ti­on. Die­se Bestä­ti­gung unse­rer lang­fris­ti­gen Stra­te­gie neh­men wir auch mit aus der Kri­se.

Und übri­gens: Damit die gan­ze Stadt­ge­sell­schaft erfährt, wie vie­le Akteu­re in Wies­ba­den trotz der Kri­se enga­giert am Start sind, erscheint zum Start der Akti­on „Wies­ba­den Enga­giert!“ 2020 ein klei­ner Film unter dem Titel #WIES­BA­DEN­bleib­t­ENGA­GIERT!

Zur Per­son

Karo­li­ne Deiss­ner lei­tet die Fach­stel­le Unter­neh­mens­ko­ope­ra­ti­on im Amt für Sozia­le Arbeit der Lan­des­haupt­stadt Wies­ba­den.