„Vie­le Unter­neh­men haben sich der Situa­ti­on gestellt und sofort reagiert. Da gab es ja ganz schnel­le und groß­ar­ti­ge Reak­tio­nen.“

Ellen Sturm, Seni­or Pro­jekt­ma­na­ge­rin Cor­po­ra­te Vol­un­tee­ring bei UPJ erzählt, wel­che Aus­wir­kun­gen die Coro­na-Pan­de­mie auf das Enga­ge­ment von Unter­neh­men hat.

Wel­che Aus­wir­kun­gen hat­te und hat Coro­na auf das Enga­ge­ment von Unter­neh­men? 

Vie­le Unter­neh­men haben sich der Situa­ti­on gestellt und sofort reagiert. Da gab es ja ganz schnel­le und groß­ar­ti­ge Reak­tio­nen: Spen­den von Schutz­mas­ken und Des­in­fek­ti­ons­mit­teln, IT-Spen­den, Räum­lich­kei­ten für Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, Bene­fiz­ak­tio­nen und Not­fall­fonds sowie ver­schie­de­ne digi­ta­le Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te usw. Das gilt für die klei­nen und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men als auch für die gro­ßen Kon­zer­ne. Gera­de in einer sol­chen Kri­se zeigt sich gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung sehr kon­kret.

Eini­ge die­ser guten Bei­spie­le haben wir hier auf www.wirbleibenengagiert.de ver­öf­fent­licht, um zum einen zu zei­gen, wie sich Unter­neh­men in die­sen unge­wöhn­li­chen Zei­ten enga­gie­ren und zum ande­ren zu mehr Enga­ge­ment und gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt anzu­re­gen.

Ist das Zwi­schen­fa­zit für Dei­nen Arbeits­be­reich Cor­po­ra­te Vol­un­tee­ring (Mit­ar­bei­ter­en­ga­ge­ment) eben­so erfreu­lich?

Da sind die Aus­wir­kun­gen ganz unter­schied­lich. Bei Cor­po­ra­te Vol­un­tee­ring geht es ja in der Regel um die Ver­bin­dung von frei­wil­li­gem Enga­ge­ment mit dem Teamer­leb­nis für die Mitarbeiter*innen. Oder es geht um direk­te Begeg­nun­gen mit Per­so­nen aus benach­tei­lig­ten Grup­pen. Bei­des war natür­lich in den letz­ten Wochen nicht mög­lich. Da gab es sowohl gro­ße Ver­un­si­che­rung, als auch ein gro­ßes Inter­es­se von Unter­neh­men, sich über alter­na­ti­ve For­men des Enga­ge­ments aus­zu­tau­schen und neue Lösun­gen aus­zu­pro­bie­ren. Gleich­zei­tig wur­den natür­lich vie­le schon geplan­te Aktio­nen abge­sagt. Das ist ins­be­son­de­re für loka­le Mitt­ler­or­ga­ni­sa­tio­nen eine finan­zi­el­le Her­aus­for­de­rung, die zum Teil exis­tenz­be­dro­hend ist.

Kannst Du kon­kre­te Bei­spie­le für sol­che neu­en Lösun­gen benen­nen?

Gera­de in den ers­ten Wochen ging es um Sofort­hil­fe für beson­ders betrof­fe­ne Per­so­nen. Da gab es ganz schnell Akti­vi­tä­ten, an denen sich auch Mitarbeiter*innen von Unter­neh­men betei­ligt haben. In der direk­ten Nach­bar­schafts­hil­fe und beim Nähen von Mas­ken etwa. Ande­re Akti­vi­tä­ten waren die Gaben­zäu­ne für Woh­nungs­lo­se, Brie­fe schrei­ben und Tele­fo­na­te gegen die Ein­sam­keit von älte­ren oder gesprächs­be­dürf­ti­gen Men­schen oder die Ver­mitt­lung von Kom­pe­ten­zen im Umgang mit digi­ta­len Tools. Wir selbst haben als Clea­ring­house mit der UPJ Pro Bono Rechts­be­ra­tung sehr schnell reagiert und auf unse­rer Home­page eine neue Sei­te ein­ge­rich­tet (probono-rechtsberatung.de/corona), auf der rele­van­te Infor­ma­tio­nen und geziel­te Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te im Rechts­be­reich gebün­delt sind. Die Lis­te wird lau­fend aktua­li­siert. Dar­über hin­aus haben wir in Zusam­men­ar­beit mit zwei Kanz­lei­en Coro­na-Spe­zi­al-Webi­na­re zu aktu­el­len Fra­gen im Arbeits­recht, Haf­tungs­fra­gen im Fall von Ver­an­stal­tungs­ab­sa­gen oder Insol­venz sowie Fra­gen zur Beschluss­fas­sung in Ver­ei­nen etc. auf­ge­setzt, die regen Zulauf an Teilnehmer*innen hat­ten.

Du hast auch die schwie­ri­ge Lage Mitt­ler­or­ga­ni­sa­tio­nen erwähnt. Kannst Du dazu mehr sagen?

Im UPJ-Netz­werk sind u.a. 25 regio­nal täti­ge Mitt­ler­or­ga­ni­sa­tio­nen orga­ni­siert, alle gemein­nüt­zig. Vie­le finan­zie­ren ihre Mitt­ler­tä­tig­keit zu einem erheb­li­chen Teil über die Orga­ni­sa­ti­on von CV-Pro­jek­ten. Durch die Absa­ge von Pro­jek­ten gibt es natür­lich finan­zi­el­le Ein­bu­ßen. Eini­ge Mitt­ler haben Kurz­ar­beit ange­mel­det oder sam­meln Spen­den. Bei man­chen ist die Situa­ti­on wirk­lich exis­tenz­be­dro­hend, was mir Sor­ge berei­tet. Das sind Orga­ni­sa­tio­nen, die Cor­po­ra­te Vol­un­tee­ring seit vie­len Jah­ren ent­schie­den vor­an­ge­trie­ben haben. Aber noch sind alle dabei und bli­cken zuver­sicht­lich in die Zukunft.

In eini­gen Städ­ten gibt es seit Jah­ren fes­te Akti­ons­ta­ge, an denen sich immer sehr vie­le Unter­neh­men betei­li­gen. Sind die nun alle abge­sagt?

Die Reak­tio­nen sind sehr unter­schied­lich. Die Akti­ons­ta­ge, die für das Früh­jahr oder den Früh­som­mer ange­dacht gewe­sen sind, haben natür­lich nicht wie geplant statt­ge­fun­den. In Wies­ba­den und Nürn­berg etwa ist das der Fall gewe­sen. Statt des gemein­sa­men Ter­mins für alle Pro­jek­te gibt es nun indi­vi­du­el­le Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Unter­neh­men und gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen. Die vie­len Pro­jek­te wer­den nun zum Teil in abge­wan­del­ter bzw. situa­ti­ons­an­ge­mes­se­ner Form im Lau­fe des zwei­ten Halb­jah­res statt­fin­den. In Braun­schweig ist der Akti­ons­tag „Brü­cken bau­en“ ohne­hin erst für Sep­tem­ber geplant gewe­sen, aber auch da stel­len die Ver­an­stal­ter es den Teilnehmer*innen frei die Pro­jek­te auf spä­ter im Jahr zu ver­schie­ben. Der Mal­te­ser Soci­al Day in Frank­furt am Main am 18. Sep­tem­ber 2020 soll plan­mä­ßig statt­fin­den.

Das waren jetzt vor allem ter­min­li­che Anpas­sun­gen. Gibt es auch inhalt­li­che oder orga­ni­sa­to­ri­sche Ände­run­gen?

Ja durch­aus. Zum einen haben alle Mitt­ler ent­spre­chen­de Hygi­e­nekon­zep­te ent­wi­ckelt, die Vor­ga­ben zu den Ver­hal­tens- und Abstands­re­geln beinhal­ten. Die Enga­ge­ment­pro­jek­te wer­den ent­spre­chend ange­passt. Die Anzahl der Frei­wil­li­gen pro Pro­jekt wird oft ver­rin­gert, ins­be­son­de­re bei Indoor-Pro­jek­ten. Statt zehn Frei­wil­li­gen malern ent­spre­chend den räum­li­chen Gege­ben­hei­ten dann eben nur zwei oder drei Per­so­nen den Tobe­raum in der Kita. Pro­jek­te im Außen­be­reich las­sen sich ein­fa­cher umset­zen, aber auch hier wird auf die Abstands­reg­lun­gen geach­tet. Geplan­te Pro­jek­te mit direk­ten Begeg­nun­gen ins­be­son­de­re zum Bei­spiel in Senio­ren­ein­rich­tun­gen, Kran­ken­häu­ern und Hos­pi­zen wer­den alle abge­sagt. Das wird sicher­lich noch eine Wei­le anhal­ten. Anders ver­hält es sich hin­ge­gen bei Begeg­nungs­pro­jek­ten mit Kin­dern und Jugend­li­chen. Sofern auch hier die Abstands­re­geln ein­ge­hal­ten wer­den, sind Aus­flugs­pro­jek­te oder Ähn­li­ches mitt­ler­wei­le wie­der denk­bar. 

Wie sieht es mit Alter­na­ti­ven zu Soci­al Days, CV-Akti­ons­ta­gen und Anpack­pro­jek­ten aus? Hat das Online-Vol­un­tee­ring einen neu­en Schub bekom­men?

Coro­na hat die Digi­ta­li­sie­rung in Unter­neh­men und NPOs ohne Zwei­fel stark vor­an­ge­trie­ben. In die­sem Zuge ist auch die Auf­merk­sam­keit für Online Vol­un­tee­ring ganz ein­deu­tig gestie­gen. Aber von einem ech­ten Schub wür­de ich noch nicht spre­chen. Viel­leicht sind ein paar Türen auf­ge­gan­gen, das ja. Beim The­ma Online Men­to­ring neh­me ich wahr, dass die Mitarbeiter*innen eher schwer dafür zu begeis­tern sind, weil die per­sön­li­chen Tref­fen und die direk­ten Gesprä­che feh­len. Bei ande­ren Berei­chen erwar­te ich aber schon einen Zuwachs, etwa bei Kom­pe­tenz­spen­den. Da funk­tio­niert vie­les schon in Video­kon­fe­ren­zen, wie zum Bei­spiel Gesprä­che mit Schüler*innen zur Berufs­wahl­ori­en­tie­rung, Bewer­bungs­trai­nings, Bera­tun­gen von Orga­ni­sa­tio­nen zu Mar­ke­ting, Füh­rung, Rechts­fra­gen usw.

Ein ande­res schö­nes Instru­ment, was in der Coro­na­zeit ent­stan­den ist und gut funk­tio­niert, sind Online-Spen­den­sam­mel­ak­tio­nen wie bei­spiels­wei­se die Wohn­zim­mer­spen­de.

Zur Per­son

Ellen Sturm ist Seni­or Pro­jekt­ma­na­ge­rin Cor­po­ra­te Vol­un­tee­ring bei UPJ.